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Interpret


Einsatzbereich Behörden und Gerichte


Rechtsanspruch

Der umfassenden und erfolgreichen Verständigung kommt im gesamten Ermittlungs- und Gerichtsverfahren eine Schlüsselrolle zu. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und der Grundsatz der Fairness des Verfahrens sind in der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK (Art. 6 Abs. 3) und der Schweizerischen Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 1 und 2) festgehalten.

Fremdsprachige Parteien haben das Recht, den Beizug einer dolmetschenden Person zu verlangen. 


Besondere Herausforderungen des Gerichtsdolmetschens

Das Dolmetschen an Gerichten und bei Behörden ist aus mehreren Gründen als besonders komplex und anspruchsvoll einzuschätzen:

  • Rollenklarheit
    Verhandlungen sind nicht nur inhaltlich anspruchsvoll sondern oft auch emotional und unberechenbar. Die Dolmetschenden befinden sich als Sprachrohr in einer äusserst schwierigen und spannungsvollen Situation und sind von Seiten der Behörden und der angeklagten Partei mit unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert.
  • Sinngenaue Verdolmetschung
    Von den Dolmetschenden wird eine schnelle, präzise und fachlich exakte Verdolmetschung gefordert. Eine wort-wörtliche Verdolmetschung ist jedoch selten möglich und garantiert keinesfalls eine sinngenaue Übertragung. Im Gegenteil: Je weiter die Sprachen in linguistischer und kultureller Hinsicht auseinanderliegen, desto sinnfremder kann eine wortgetreue Verdolmetschung ausfallen. Die Möglichkeit, umfangreiche Umschreibungen und Erklärungen abzugeben, ist jedoch in Verhandlungen oft nicht vorhanden. 
  • Spezifisches Setting
    Im Gegensatz zu verdolmetschten Gesprächen im Trialog ist die Aufstellung bei Verhandlungen frontal ausgerichtet. Die Kontaktsituationen sind formell und erfordern eine direkte und schnörkellose Verdolmetschung. Oft handelt es sich zudem um lange Einsätze (bis zu einem Tag), welche Ausdauer, eine sehr hohe Konzentrationsfähigkeit und viel Erfahrung erfordern. 

Ausbildung der Dolmetschenden

Die bei den Gerichten und Behörden tätigen Dolmetschenden verfügen mehrheitlich über keine universitäre Dolmetschausbildung. Für einen Grossteil der Sprachkombinationen existieren gar keine Dolmetsch-Studiengänge. Die ZHAW hat ihr Weiterbildungsangebot im Bereich Behörden- und Gerichtsdolmetschen Ende 2014 eingestellt. 

Eine Weiterbildung ist in der Schweiz einzig im Rahmen des Ausbildungs- und Qualifizierungssystems von INTERPRET möglich. Dolmetschende können das auf der zweiten Stufe angesiedelte Weiterbildungsmodul "Dolmetschen bei Behörden und Gerichten" besuchen (siehe dazu Rubrik Aus- und Weiterbildungsmodule oder die Modulbeschreibung Modul 4 (PDF)). 


Zulassung der Dolmetschenden

Die Zulassung und das Aufnahmeverfahren für Gerichts- und Behördendolmetschende ist in der Schweiz kantonal unterschiedlich geregelt. Die kantonalen Behörden verfügen in der Regel über Verzeichnisse von zugelassenen Dolmetscher*innen, zum Teil zudem über eine Dienststelle, welche für das Dolmetscherwesen, Zulassung, Aus- und Weiterbildung verantwortlich ist.

Im Interesse der Qualitätssicherung und Professionalisierung führen immer mehr Kantone Zulassungskurse und Zulassungsprüfungen durch. Diese orientieren sich entweder am Weiterbildungsmodul "Dolmetschen bei Behörden und Gerichten" oder am etablierten System des Obergerichts des Kantons Zürich.

Am 12. März 2015 fand in Olten eine Konferenz zur Harmonisierung des Justizdolmetscherwesens in der Schweiz statt. Die Konferenz wurde durch die Fachgruppe/Zentralstelle Sprachdienstleistungen (ehemals Zentralstelle Dolmetscherwesen) des Obergerichts des Kantons Zürich und durch juslingua.ch organisiert. Die gesammelten Referate sind in einer Tagungsbroschüre (PDF) zugänglich.


Kantonale Dienststellen für die Qualitätssicherung

Gerichte und Behörden sollten sich für die Zusammenarbeit mit Dolmetschenden an eine Dienststelle wenden können, welche die unterschiedlichen Aufgaben der Qualitätssicherung und Information übernimmt:

  • Sie ist zuständig für die Rekrutierung der Dolmetschenden und die Erstellung und den Unterhalt des Dolmetscherverzeichnisses, pflegt den Kontakt zu den Dolmetschenden und macht Angebote für Begleitung, Supervision und Weiterbildung;
  • sie stellt Richtlinien oder Merkblätter sowohl für die Behördenvertreter*innen als auch für die Dolmetschenden zur Verfügung;
  • sie macht Informations- und Schulungsangebote für die Behördenvertreter*innen zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit Dolmetschenden;
  • sie unterstützt die Behördenvertreter*innen bei der Wahl der Dolmetschenden;
  • sie nimmt Rückmeldungen entgegen und ist verantwortlich für das Beschwerdemanagement.

Die Dienststelle des Obergerichts des Kantons Zürich hat diesbezüglich bereits vor Jahren eine Vorreiterrolle übernommen. Weitere Kantone sind in den letzten Jahren gefolgt. Über einen spezifischen Internetauftritt und ausführliche Dokumente zum Dolmetscherwesen verfügen unter anderem folgende Kantone: 

  • Kanton Basel-Stadt: Dolmetscherwesen an den Gerichten des Kantons Basel-Stadt
  • Kanton Luzern: Dolmetscherwesen für die  Dienststellen des Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD) und die Gerichte
  • Kanton St. Gallen: Dolmetscherwesen für Ämter des Sicherheits- und Justizdepartementes, die Kantonspolizei, Staatsanwaltschaft etc.
  • Kanton Zürich: Sprachdienstleistungswesen des Obergerichts

Ich brauche eine interkulturell dolmetschende Person

In der Regel läuft die Vermittlung einer interkulturell dolmetschenden Person über die regionalen Vermittlungsstellen. Sie vermitteln professionelle Dolmetschende vor Ort und via Telefon und Video.

In der Datenbank der ikDV können Sie direkt nach zertifizierten interkulturell Dolmetschenden suchen.

Ich interessiere mich für die Ausbildung

Die Ausbildung wird von Institutionen in den verschiedenen Regionen durchgeführt. Kursangebote, Termine etc. finden Sie in der Rubrik Aktuelle Kursangebote.

Das Qualifizierungssystem von INTERPRET (Zertifikat INTERPRET, Eidg. Fachausweis) wird in der Rubrik Qualifizierungssystem INTERPRET erklärt. 

Weitere Informationen erhalten Sie bei der Qualifizierungsstelle (031 351 38 29) von 9:00 bis 12:30.