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März 2020

Folgen der Corona-Krise für das interkulturelle Dolmetschen und Vermitteln

Auch das interkulturelle Dolmetschen und Vermitteln ist von der Corona-Krise stark betroffen.

So sind seit Mitte März keine Austauschtreffen, Inter- bzw. Supervisionen und Weiterbildungen mehr möglich, geplante Aus- und Weiterbildungsmodule müssen abgesagt oder verschoben werden. Schwerwiegender ist jedoch, dass die regionalen Vermittlungsstellen von zahlreichen Stornierungen und teilweise massiven Auftragseinbussen berichten. Davon sind natürlich die Vermittlungsstellen betroffen, aber eben auch die Dolmetschenden und Vermittelnden, welche auf Grund ihrer prekären Anstellungsverhältnisse in der Regel über keinerlei Sicherheiten verfügen.

Im Wissen darum, dass sich die Situation wie auch die Vorgaben und Regelungen fast täglich ändern, und im Bewusstsein, dass INTERPRET direkt keine Hilfe leisten kann, versuchen wir im Folgenden, Möglichkeiten aufzuzeigen zur Abfederung der (finanziellen) Folgen der Corona-Krise im Bereich des interkulturellen Dolmetschens und Vermittelns.


Möglichkeiten für finanzielle Entschädigungen

Bund und Kantone arbeiten mit Hochdruck an vielfältigen Möglichkeiten und Angeboten zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Unter bestimmten Bedingungen dürften auch die Vermittlungsstellen bzw. die Dolmetschenden und Vermittelnden berechtigt sein, Unterstützung zu beantragen.

Es ist ein grosses Anliegen von INTERPRET, dass die finanziellen Konsequenzen nicht in erster Linie zulasten der Dolmetschenden und Vermittelnden gehen. In Anbetracht der grösstenteils prekären Anstellungsbedingungen tragen sie ein grosses Risiko.

Wir empfehlen den Vermittlungsstellen deshalb:

  • Vermittlungsstellen, die eine deutliche Auftragseinbusse erleiden, ersuchen beim Kanton um Entschädigung für Kurzarbeit für ihre auf Abruf arbeitenden Mitarbeiter*innen. Diese Kategorie ist beispielsweise auf dem Formular "Voranmeldung von Kurzarbeit" explizit vorgesehen.
  • Vermittlungsstellen nehmen eine Einsatzschätzung vor, um die Ausfälle im Gesamten sowie, basierend auf Durchschnittswerten der vergangenen Monate, auch für die einzelnen Dolmetschenden und Vermittelnden nach Möglichkeit zu beziffern. Dies wird notwendig sein, um überhaupt Entschädigungen beantragen zu können.
  • Vermittlungsstellen unterstützen "ihre" Dolmetschenden und Vermittelnden dabei, individuelle Entschädigungen zu beantragen. Dies kann, gemäss den vom Bundesrat am 20. März beschlossenen Massnahmen, für folgende "Kategorien" gemacht werden:
    • Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen, weil die Fremdbetreuung der Kinder nicht mehr gewährleistet ist;
    • Personen, die wegen einer Quarantänemassnahme ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen;
    • Selbstständigerwerbende, die einen Erwerbsausfall erleiden, weil sie wegen den vom Bundesrat getroffenen Massnahmen ihre Tätigkeit einstellen müssen

Formulare und Hilfestellungen

Informationen, Formulare und Hilfestellungen finden sich

Ebenfalls hilfreich sind die Unterstützungsangebote der Gewerkschaften, beispielsweise das Infoblatt des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds SGB https://www.sgb.ch/fileadmin/redaktion/docs/communiques/200303_Infos_Arbeitsrecht-Kurzarbeit-Corona.pdf.  


Social Distancing

In Zeiten des angeordneten Social Distancing ist nachvollziehbar, dass bei den wenigen noch stattfindenden Kontaktsituationen darauf geachtet wird, möglichst keine zusätzlichen Personen im Raum zu haben. Auf die physische Anwesenheit von Dolmetschenden wird darum weithin verzichtet. Es ist aber davon auszugehen, dass deren Dienste trotzdem oder angesichts der Corona-Krise umso mehr angezeigt und sinnvoll wären.


Dolmetschen auf Distanz als Angebot der Stunde

Telefon- und Videodolmetschen leisten in dieser aussergewöhnlichen Situation wichtige und gute Dienste. Trotzdem sollten die Grenzen und Möglichkeiten des Distanzdolmetschens immer im Auge behalten werden (siehe dazu INTERPRET-Newsletter vom September 2019 https://www.inter-pret.ch/de/aktuell/newsletter/dolmetschen-auf-distanz-210.html).

Die wenigsten Kund*innen, Dolmetschenden und Vermittlungsstellen dürften auf die Schnelle die technischen Voraussetzungen schaffen können, um allen Anforderungen bezüglich Datenschutz, Qualität der Übertragung, Qualität der Verdolmetschung etc. vollumfänglich zu genügen. Nichtsdestotrotz sind auch behelfsmässige Lösungen im Moment zu begrüssen. Dabei sind aber einige Aspekte zwingend zu berücksichtigen:

  • Sowohl die auftraggebende als auch die dolmetschende Person müssen mit dieser Form des Dolmetschens einverstanden sein.
  • Auftraggebende müssen darauf hingewiesen werden, dass im Falle von behelfsmässigen Lösungen der Datenschutz nicht vollumfänglich garantiert werden kann.
  • Dolmetschende müssen sicherstellen, dass sie die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine qualitative und vertrauliche Verdolmetschung möglichst einhalten können. Dazu gehört ein abgeschlossener, ruhiger Raum, keine weiteren anwesenden Personen (auch nicht in Zeiten der Betreuung und Beschulung der Kinder zu Hause...) und eine funktionierende Technik.
  • Administrative Rahmenbedingungen sind von den Vermittlungsstellen im Vorab zu klären: Wie laufen die Vermittlungsprozesse? Nach welchen Tarifen und Zeitmodellen wird abgerechnet? Wie werden Termine erfasst und bestätigt? Wie werden Termine verschoben, annulliert? usw. Dabei ist darauf zu achten, dass allfällige Anpassungen am Tarifmodell nicht zulasten der Dolmetschenden gehen, indem beispielsweise nur noch die effektive Dauer eines Gesprächs vergütet wird.

Proaktives Informieren

Viele Situationen, in denen die Dienste von interkulturell Dolmetschenden und Vermittelnden in Anspruch genommen werden, scheinen in dieser Zeit wegzufallen.

Es gibt jedoch auch verschiedene Situationen, in welchen Dolmetschende neu via Video oder Telefon einen wichtigen Beitrag leisten und die Fachpersonen in dieser schwierigen Zeit unterstützen können. Dies gilt auch für Bereiche, in welchen bis anhin nicht mit Dolmetschenden auf Distanz gearbeitet wurde: 

  • Spitäler: Konsultationen können via Telefon oder Video mit Dolmetschenden geführt werden.
  • Sozialdienste: Allgemeine Informationen zum Coronavirus sowie die Übermittlung von fallspezifischen Informationen unterstützen die Fachpersonen.
  • Schulen: Unterstützung der benachteiligten Schülerinnen und Schüler, Unterstützung und Information der fremdsprachigen Eltern zum Homeschooling sowie zur Corona-Krise und deren Auswirkungen.

Von vielen Seiten werden Stimmen laut, die feststellen, dass die fremdsprachige Bevölkerung nur sehr ungenügend über die aktuelle Situation und ihre besonderen Herausforderungen und Regeln informiert sind. Auch wenn die Berichterstattung zur Corona-Krise alle anderen Themen komplett überdeckt: Ohne sehr gute Kenntnisse in der lokalen Amtssprache bleiben die Informationen und Aufforderungen weitgehend unverständlich. Hier tut eine proaktive, auf die allphone Bevölkerung zugeschnittene Informationskampagne Not. Sozialdienste und Schulen beispielsweise sollten sich direkt, mit Unterstützung durch interkulturelle Dolmetschende und Vermittelnde, an Klient*innen und Eltern richten, um sie gezielt in ihrer jeweiligen Hauptsprache aufzuklären und sie in der Bewältigung der besonderen Situation zu unterstützen. 


Leichte Sprache

Der grösste Teil der Informationen zur Corona-Krise sind in schwerer Sprache gehalten: Die Sätze sind komplex und lang, was angesichts der schwierigen Lage verständlich ist. Juristische, medizinische und verwaltungstechnische Fachwörter erschweren die Verständigung.

Damit wird jedoch ein grosser Teil der Bevölkerung vom Zugang zu den lebenswichtigen Informationen ausgeschlossen.

Informationen zur Corona-Krise in leichter Sprache stellt zum Beispiel das BAG zur Verfügung:

  • BAG: Informationen in Leichter Sprache

parentu-App

Die parentu-App ermöglicht den direkten Versand von Informationen auf Smartphones der Eltern. 

Um Finanzierungsfragen zu umgehen stellt parentu allen Kantonen, Städten, Gemeinden und Fachorganisationen einen kostenlosen Zugang zur App zur Verfügung. Der kostenlose Zugang gilt bis Ende August 2020 und trägt dazu bei, dass Eltern rasch, aktuell und unkompliziert informiert werden können.

Mehr Informationen bei https://www.parentu.ch/

Ich brauche eine interkulturell dolmetschende Person

In der Regel läuft die Vermittlung einer interkulturell dolmetschenden Person über die regionalen Vermittlungsstellen. Sie vermitteln professionelle Dolmetschende vor Ort und via Telefon und Video.

In der Datenbank der ikDV können Sie direkt nach zertifizierten interkulturell Dolmetschenden suchen.

Ich interessiere mich für die Ausbildung

Die Ausbildung wird von Institutionen in den verschiedenen Regionen durchgeführt. Kursangebote, Termine etc. finden Sie in der Rubrik Aktuelle Kursangebote.

Das Qualifizierungssystem von INTERPRET (Zertifikat INTERPRET, Eidg. Fachausweis) wird in der Rubrik Qualifizierungssystem INTERPRET erklärt. 

Weitere Informationen erhalten Sie bei der Qualifizierungsstelle (031 351 38 29) von 9:00 bis 12:30.