Sprunglinks

Interpret

Newsletter INTERPRET 2023/2
September 2023

INTERPRET im Herbst

Lieber Leser*innen,

"Professional interpreters result in best quality of care for patients." - Die qualitativ beste Versorgung von Patient*innen wird mit professionellen Dolmetscher*innen erreicht.

Zu diesem Ergebnis kam ein Team dänischer Forscher*innen, die 29 wissenschaftliche Studien zum Dolmetschen im Gesundheitsbereich verglichen haben. In den Studien wurde die Kommunikation mit fremdsprachigen Patient*innen ohne Verdolmetschung oder mithilfe von professionellen Dolmetscher*innen, spontan dolmetschendem Gesundheitspersonal oder dolmetschenden Bezugspersonen untersucht. (Den Artikel von Heath et al. 2023 findet man hier oder in der Infothek von INTERPRET.)

Als Trägerschaft des Qualifizierungssystems für interkulturell Dolmetschende in der Schweiz setzen wir bei INTERPRET uns für professionelle Dolmetsch-Dienstleistungen ein: Es ist wichtig, dass Dolmetscher*innen gut ausgebildet werden und dass ihre Arbeit als eigene Profession mit anspruchsvollem Kompetenzenprofil anerkannt wird. Solche Studien ermutigen uns, hier weiterzugehen. Dieser Newsletter berichtet von diversen Aktivitäten in unserer Qualifizierungsstellen und dem Kompetenzzentrum.

Speziell im Gesundheitsbereich zeigt die Erfahrung von INTERPRET: Der Einsatz von professionellen Dolmetscher*innen ist zwar wünschenswert, aber noch lange nicht der Standard. Ein grosser Hinderungsgrund sind nach wie vor unklare Regelungen zur Finanzierung. Hier setzt sich INTERPRET aktuell im Parlament für eine Lösung auf Gesetzesebene ein. Im Gesundheitsbereich kann ein Gespräch mit fremdsprachigen Patient*innen ausserdem ganz plötzlich nötig werden, z.B. in der Notfallaufnahme. Sind hier technologische Lösungen wie Übersetzungsapps ein möglicher und schneller Ersatz für professionelle Dolmetscher*innen?

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre unseres Newsletters.
euer INTERPRET-Team


AUS DEM KOMPETENZZENTRUM: SCHWERPUNKT GESUNDHEIT


Finanzierung von Dolmetsch-Kosten im Gesundheitswesen

In der Herbstsession 2023 behandelt der Ständerat eine Motion von Damian Müller (23.3673), welche den Bundesrat beauftragt, eine gesetzliche Grundlage für eine national einheitliche Vergütungspflicht von Dolmetsch-Kosten bei Gesundheitsdienstleistungen zu schaffen.

Medizinische Hilfe setzt eine adäquate Verständigung voraus. Fremdsprachige und gehörlose Menschen sind dazu auf professionelle Dolmetsch-Leistungen angewiesen. Sie gewährleisten eine bedürfnis- und sachgerechte Behandlung und ermöglichen informierte Entscheidungen. Damit tragen Dolmetsch-Leistungen wesentlich zu Therapieerfolg und kosteneffizienter sowie qualitativ hochstehender Behandlung bei. Deshalb sind Dolmetsch-Leistungen als Bestandteil der Leistungserbringung zu betrachten und anfallende Kosten entsprechend abzugelten. Die Einführung einer national einheitlichen Vergütungspflicht für Dolmetsch-Kosten im Gesundheitswesen schafft klare Vorgaben im Sinne des Patientenwohls und für die Leistungserbringer. Als Organisationen, die im Alltag mit den Auswirkungen von Sprachbarrieren im Gesundheitswesen konfrontiert sind, empfehlen die FMH (Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte), der SGB-FSS (Schweizerischer Gehörlosenbund), das SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz) und INTERPRET die Annahme der Motion 23.3673.

Ebenfalls unterstützt wird die Motion vom Swiss Health Network for Equity. Mitglieder des Netzwerkes fördern die Verständigung zwischen Mitarbeitenden und Patientinnen, Patienten und Angehörigen und gestalten damit das Gesundheitswesen zugänglicher, die Qualität der Gesundheitsversorgung wird verbessert.

Das Netzwerk Swiss Hospitals for Equity hat am 22.09.2022 den Verein «Swiss Health Network for Equity» gegründet und setzt sich für die Förderung von Gerechtigkeit und Chancengleichheit im schweizerischen Gesundheitswesen ein. 


Dolmetschen im Gesundheitsbereich: und technologische Lösungen?

Mit der Hilfe professioneller Dolmetscher*innen kann eine qualitativ bessere Versorgung von fremdsprachigen Patient*innen gewährleistet werden, als mit dolmetschendem Gesundheitspersonal, dolmetschenden Angehörigen oder ohne Dolmetscher*in. Das zeigt die Studie von Heath et al. (2023), die bereits in der Einleitung dieses Newsletters zitiert wurde. Was ist jedoch mit technologischen Alternativen zum professionellen Dolmetschen vor Ort? Gerade, wenn ein Gespräch spontan oder notfallmässig erfolgt? 

Eine Lösung können Übersetzungs-Apps sein, die einzelne Gesprächsteile maschinell übersetzen. Gerade wenn es schnell gehen muss, können solche Apps gewährleisten, dass Kommunikation überhaupt stattfindet. Aber: Auch wenn diese Apps hochprofessionell entwickelte Tools sind, bieten sie keine professionelle Verdolmetschung. Die Übersetzungen können fehlerhaft sein, ohne dass es bemerkt wird. Gerade bei nicht-europäischen Sprachen sind die Ergebnisse oft mangelhaft. Im Gesundheitsbereich können daraus resultierende Missverständnisse fatal sein. Ein Forschungsteam der ZHAW, Institut für Übersetzen und Dolmetschen hat die Verwendung von maschineller Übersetzung im Gesundheitsbereich genauer untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie als Empfehlungen zusammengefasst, wann die Verwendung von maschineller Übersetzung angebracht ist und wann eher ein*e Dolmetscher*in per Telefon/Video oder vor Ort beigezogen werden soll.Die Empfehlungen finden sie hier. 

Manche Gesundheitsinstitutionen haben ausserdem eigene technologische Anwendungen entwickeln lassen. Die Genfer Universitätskliniken (HUG) arbeiten in ihrer Notfallaufnahme etwa mit dem Tool BabelDr. BabelDr funktioniert mit professionell übersetzten Fragekatalogen in sechs häufig vorkommenden Fremdsprachen, sowie in Gebärdesprache. Damit ist es nur für sehr spezifische Settings anwendbar, dort jedoch jederzeit verfügbar und bietet sehr korrekte Übersetzungen. Céline de Graaf von der Uni Genf hat zusammen mit Kolleg*innen die Verwendung von BabelDr mit dem Beiziehen von Dolmetscher*innen per Telefon verglichen. Das Resultat: Patient*innen wie Ärzt*innen waren tendenziell zufriedener mit menschlichen Dolmetscher*innen per Telefon. Punkto Vertraulichkeit fühlten sie sich aber wohler mit BabelDr.
Eine Publikation zur Studie finden Sie hier.

Technologische Entwicklungen bieten bemerkenswerte Alternativen zu professionellen Dolmetscher*innen vor Ort. Mit jedem anderen Format oder Tool ändert sich jedoch auch das Kommunikationssetting und damit auch die Möglichkeiten und Begrenzungen der Kommunikation über Sprachgrenzen hinaus. INTERPRET ist überzeugt, dass speziell in sensiblen, komplexen und emotionalen Situationen professionelle Dolmetscher*innen die beste und angemessenste Unterstützung bieten.


AUS DER QUALIFIZIERUNGSSTELLE: NEUES ZUR TOTALREVISION


Laufende Verfahren im aktuellen Qualifizierungssystem

Die Ausbildung als Dolmetscher*in wird aktuell totalrevidiert. Deswegen gibt es Fristen für die laufenden Verfahren.

Das aktuelle Zertifikat INTERPRET kann bis maximal Ende 2029 unter den aktuellen Vorgaben beantragt werden. Es gelten folgende Voraussetzungen:

  • gültige Atteste für die Module 1 und 2 (Abschluss max. 6 Jahre her)
    Die Modulatteste können aktuell nur noch vereinzelt erworben werden (aktuelle Angebote); Gleichwertigkeitsbeurteilungen sind nicht mehr möglich.
  • Nachweis der Sprachkompetenzen in der Amtssprache (mind. Niveau B2)
  • Nachweis der Sprachkompetenzen C1 in der Dolmetschsprache mündlich
    BITTE BEACHTEN: Für die Dolmetschsprachprüfung im aktuellen Verfahren können Sie sich nur noch bis 31.12.2023 anmelden (siehe die Informationen zur Dolmetschsprachprüfung weiter unten).
  • Nachweis von mindestens 50 Stunden Praxiserfahrung im interkulturellen Dolmetschen

Das neue Zertifikat INTERPRET wird nach dem erfolgreichen Bestehen einer Prüfung vergeben. Die ersten Prüfungen finden frühstens im Sommer  2024 statt.

Aufgrund der definierten Fristen gehen aktuell viel mehr Anmeldungen bei INTERPRET ein, als früher:

  • Dolmetschsprachprüfungen: Für Januar bis August 2023 wurden knapp 240 Prüfungen organisiert (vs. 194 Prüfungen im gesamten 2022).
  • Zertifizierungsanträge: von Januar bis August 2023 wurden bereits 83 Zertifikate ausgestellt (vs. 74 Zertifikate im gesamten 2022) 
  • Gleichwertigkeitsbeurteilungen: Es sind seit Januar 39 Anträge eingegangen (vs. 16 im gesamten 2022).
  • Für die eidg. Berufsprüfung im November 2023 sind 9 Kandidat*innen angemeldet - und damit weniger als in den Vorjahren.

Wegen den vielen Anträgen kommt es aktuell zu Wartezeiten bei der Qualifizierungsstelle. Danke für das Verständnis und die Geduld!


Abschluss Pilotprojekt neue Basisqualifikation

Im Rahmen der Einführung eines neuen Qualifizierungssystems hat INTERPRET zwischen Februar und Juni 2023 einen Basiskurs für Dolmetscher*innen aus den Bereichen Asyl & Justiz, Bildung & Soziales und Gesundheit sowie eine Prüfung für den Erwerb des Zertifikats INTERPRET getestet. 

Der pilotierte Basiskurs wurde in französischer Sprache und in hybrider Form (vor Ort in Fribourg und online) durchgeführt und bot neben den bewährten Kursinhalten eine Einführung in das Dolmetschen im Asyl- und Justizbereich sowie in das Telefon- und Videodolmetschen an. 

Die pilotierte Prüfung zum Zertifikat INTERPRET wurde von über 80% der Basiskurs-Teilnehmer*innen erfolgreich abgelegt. Gemäss der provisorischen Evaluation durch INTERPRET bilden Basiskurs und Zertifikatsprüfung eine geeignete Form der neuen Basisqualifizierung für Dolmetscher*innen, die den aktuellen Ansprüchen des Arbeitsmarktes gerecht wird. 

Für Kursanbieter*innen: Im Oktober 2023 publiziert INTERPRET Empfehlungen zur Ausgestaltung der neuen Basiskurse ab 2024. 

Für Dolmetscher*innen: Erste reguläre Prüfungen für den Erwerb des Zertifikats INTERPRET sind für September 2024 in der Romandie und in der Deutschschweiz geplant.


Eine aktuelle Übersicht zum neuen Qualifizierungssystem, dessen Entwicklung und den ersten Ausbildungsmöglichkeiten finden Sie auf unserer Website unter Neues Qualifizierungssystem.


VEREIN INTERPRET


Rückblick auf die Mitgliederversammlung 2023

Am 25. Mai 2023 fand die jährliche ordentliche Mitgliederversammlung (MGV) des Vereins INTERPRET in Bern statt.

Neben einem Überblick über die Aktivitäten im 2022 wurde insbesondere die Neupositionierung von INTERPRET angeschaut. Es kommen wichtige Fragen und Entscheidungen auf die Mitglieder zu.

Wer mehr über die MGV 2023 erfahren möchte, findet das Protokoll auf unserer Website unter INTERPRET - Verein INTERPRET in der rechten Spalte zum herunterladen.

Wir danken allen Mitgliedern, die an der MGV 2023 dabei waren und sich eingebracht haben!


Das Team INTERPRET bewegt sich

Mit dem Ende des Sommers mussten wir uns von unseren zwei Praktikantinnen verabschieden:

  • Alexia Zermatten hat von Januar bis August 2023 bei der Durchführung und der Evaluation des Pilots zur neuen Basisqualifikation mitgewirkt.
  • Ginger Hochstrasser hat uns von Februar bis Juli 2023 bei der Planung und Durchführung der Pilotprüfungen für das neue Zertifikat INTERPRET unterstützt.

Wir danken euch beiden herzlich für euer tatkräftiges Mitwirken und Mitdenken. Für euren weiteren Weg in Ausbildung und Beruf wünschen wir nur das Beste!

Dafür dürfen wir eine neue Kollegin in unseren Reihen begrüssen:

  • Sara Kuster verstärkt das INTERPRET Team seit April 2023. Sie ist verantwortlich für die Konzeption einer Weiterbildung für den neuen Fachausweis und der neuen Dolmetschsprachprüfung.

Wir freuen uns, dass du dabei bist!


Events

Auf unserer Website informieren wir laufend zu spannenden Anlässen rund um Migration, Dolmetschen und verwandte Themenbereiche: Veranstaltungen

Zum Thema Chancengleichheit im Gesundheitsbereich zum Beispiel das Health Equity Forum 2023 am 7. Dezember in Bern.
Gemeinsam und vernetzt für einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen!

Ich brauche eine interkulturell dolmetschende Person

In der Regel läuft die Vermittlung einer interkulturell dolmetschenden Person über die regionalen Vermittlungsstellen. Sie vermitteln professionelle Dolmetschende vor Ort und via Telefon und Video.

In der Datenbank der ikDV können Sie direkt nach zertifizierten interkulturell Dolmetschenden suchen.

Ich interessiere mich für die Ausbildung

Die Ausbildung wird von Institutionen in den verschiedenen Regionen durchgeführt. Kursangebote, Termine etc. finden Sie in der Rubrik Aktuelle Kursangebote.

Das Qualifizierungssystem von INTERPRET (Zertifikat INTERPRET, Eidg. Fachausweis) wird in der Rubrik Qualifizierungssystem INTERPRET erklärt. 

Weitere Informationen erhalten Sie bei der Qualifizierungsstelle (031 351 38 29) von 9:00 bis 12:30.