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Interpret

2. Infobrief Revision BP
Dezember 2020

Berufsprüfung INTERPRET: Erste wegweisende Entscheide und Ideenwettbewerb

Liebe Leserin, lieber Leser

Im August haben wir Sie über den Start der Totalrevision der Berufsprüfung für „interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln“ informiert. Wie wir damals bereits festgehalten haben, wird sich die Revision nicht nur auf die Berufsprüfung beschränken, sondern das gesamte INTERPRET-Qualifizierungssystem soll überdacht und allenfalls neu strukturiert werden.

Seit August ist viel passiert. Mit erfahrenen Praktiker*innen (Dolmetschenden) und Fachpersonen der verschiedenen Einsatzbereiche haben aufschlussreiche und engagierte Analyseworkshops stattgefunden; das Projektteam hat erste Skizzen und Vorschläge erarbeitet; die QSK, die Begleitgruppe und der Vorstand haben diese diskutiert; und der INTERPRET-Vorstand hat erste wegweisende Entscheide gefällt.

Gerne informieren wir Sie mit diesem 2. Infobrief über die bisherigen Erkenntnisse und die Entscheide des Vorstands und laden Sie ein, am Ideenwettbewerb für die zukünftige Berufsbezeichnung mitzumachen.


Grundsatzentscheid zugunsten des eidgenössischen Fachausweises

An seiner Sitzung vom 24. November hat der Vorstand von INTERPRET entschieden, dass auch in Zukunft ein eidgenössischer Fachausweis als oberste Qualifizierungsebene angeboten werden soll. In Anbetracht der aktuellen Position des Fachausweises, der kaum bekannt ist und seinen Inhaber*innen nur sehr begrenzt zu mehr Einsätzen und/oder mehr Einkommen verhilft, wurde dies zu Recht in Frage gestellt. INTERPRET ist aber überzeugt, dass der Nutzen für das Gesamtsystem sehr hoch und es richtig ist, engagierten professionellen Dolmetschenden einen Abschluss auf diesem hohen Niveau (Tertiär B) zu ermöglichen. Gleichzeitig soll die Totalrevision auch ganz gezielt dazu genutzt werden, den Fachausweis attraktiver zu machen und besser in der Praxisrealität zu verankern.

Zusammen mit dem Bekenntnis zum eidgenössischen Fachausweis hat der Vorstand auch entschieden, weiterhin auf Fachrichtungen zu verzichten. Wie bisher sollen also nicht Spezialisierungen geprüft werden, sondern die wesentlichen Merkmale der Berufsprüfung sollen auch in Zukunft die Breite der Einsatzmöglichkeiten, das Reflexionsniveau und die Fähigkeit sein, sich in ganz unterschiedlichen Settings rollenkonform professionell zu verhalten.


Überarbeitung des Qualifizierungssystems für Dolmetschende

Das Projektteam schlägt für das Dolmetschen ein dreistufiges Qualifzierungsmodell vor:

  • Die unterste Ebene bildet eine allgemeine, bereichsunabhängige Basisqualifikation mit den "handwerklichen" Grundlagen des Dolmetschens, Recherchierens und Dokumentierens sowie Basiskompetenzen zum Rollenverständnis und zur Reflexion
  • Eine zweite Stufe soll Spezialisierungs- oder Vertiefungsmöglichkeiten bieten, in denen spezifische System-, Fach- und Terminologiekenntnisse, ein bereichskonformes Rollenverständnis sowie erweiterte Dolmetsch-, Recherche- und Dokumentationstechniken erworben werden
  • Auf der obersten Ebene befindet sich der eidgenössische Fachausweis, nach erfolgreichem Bestehen der Berufsprüfung.

Der Vorstand von INTERPRET hat diese grobe Strukturierung gutgeheissen. Für die Umsetzung sind aber noch sehr viele Fragen offen. Dazu werden in den nächsten Wochen Varianten ausgearbeitet, die in den ersten Monaten 2021 dann diskutiert und evaluiert werden können. Ziel ist der Aufbau eines konsistenten, der Berufspraxis angepassten, realistischen und breit verankerten Qualifizierungssystems, in dem sich möglichst alle Einsatzbereiche wiederfinden.


Interkulturelles Vermitteln

INTERPRET hat in den letzten Jahren versucht, eine klarere Abgrenzung zwischen dem (interkulturellen) Dolmetschen und dem interkulturellen Vermitteln zu erreichen. So umfasst das interkulturelle Vermitteln gemäss Definition von INTERPRET (siehe Broschüre "Verständigung im interkulturellen Kontext – Übersicht über die Angebote und Instrumente") Tätigkeiten in den Bereichen Begleitung, Informationsvermittlung, Moderation und Projektarbeit, die explizit NICHT im Dolmetschsetting stattfinden. Neben vielen Gemeinsamkeiten gibt es auch viele (methodische) Unterschiede zwischen dem (interkulturellen) Dolmetschen und dem interkulturellen Vermitteln. Dies kam auch an den Analyseworkshops im September deutlich zum Ausdruck.

Das interkulturelle Vermitteln ist heute in die Weiterbildungslandschaft und den Fachausweis integriert und damit auf einer sehr hohen Ebene angesiedelt. Die Einsatzrealität muss hingegen als zumeist sehr niederschwellig bezeichnet werden und steht somit im Widerspruch zur Einordnung im Qualifizierungssystem. Auch die angestrebte Klärung konnte nicht wirklich erreicht werden, kommt es doch nach wie vor zu Konfusionen zwischen dem interkulturellen Vermitteln als eigenständiger Tätigkeit (siehe oben) und "interkulturellen Interventionen" im Rahmen eines Dolmetscheinsatzes, beispielsweise zur Klärung von Missverständnissen oder in Form von kurzen Erklärungen auf Wunsch der Beteiligten.

Um mehr Klarheit herzustellen, insbesondere aber, um dem interkulturellen Vermitteln eine der Einsatzrealität entsprechende Grundlage zu verschaffen, hat der Vorstand von INTERPRET entschieden, das interkulturelle Vermitteln grundsätzlich vom Dolmetschen abzulösen und als eigenständigen Beruf zu verankern. Damit dies gelingt, soll gemeinsam mit möglichst vielen Akteuren, deren Angebote und Tätigkeiten eine Verbindung zum interkulturellen Vermitteln aufweisen, ein eigenständiges Berufsprofil entwickelt und eine auf die tatsächliche Einsatzpraxis abgestimmte Qualifizierungsmöglichkeit aufgebaut werden. Die ersten Schritte in diese Richtung sollen bereits in Kürze unternommen und die Aufbauarbeit parallel zur Totalrevision der Berufsprüfung aufgenommen werden.

Es geht INTERPRET nicht darum, das interkulturelle Vermitteln "abzustossen", sondern im Gegenteil mit einer gezielten, breit abgestützten Aufbauarbeit zu dessen Professionalisierung und besseren Verankerung beizutragen. Die "Verwandtschaft" mit dem Dolmetschen muss insofern weiter berücksichtigt werden, als dass eine gewisse Durchlässigkeit gewährleistet werden soll.  


Ideenwettbewerb zur Berufsbezeichnung: Ihre Vorschläge sind erwünscht!

Die Trennung von interkulturellem Vermitteln und (interkulturellem) Dolmetschen sowie die angestrebte Integration der Bereiche Justiz und Asyl bringen die Diskussion mit sich, wie die neu entstehenden Berufsbilder künftig heissen sollen. 

Für das Dolmetschen gilt es, den verschiedenen Einsatzrealitäten vom Gericht bis zur Psychiatrie und vom Asylverfahren bis zum Elterngespräch gerecht zu werden, wo sich Rollenerwartungen, Settings, Fachrichtungen und die Bedeutung von "interkulturellen Aspekten" stark unterscheiden. Auf Sensibilitäten verwandter Berufsgruppen ist Rücksicht zu nehmen, und trotzdem ist es zentral, DEN treffenden Namen zu finden, und zwar in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch! Die Quadratur des Zirkels sozusagen…

Darum laden wir Sie ein, kreativ zu sein!

Senden Sie uns Ihre Überlegungen und Vorschläge für die künftigen Berufsbezeichnungen für das heutige „interkulturelle Dolmetschen“ und „interkulturelle Vermitteln“. Gerne nehmen wir Ihre Rückmeldungen bis Ende Jahr unter entgegen, um sie dann sorgfältig mit den verschiedenen Akteuren, Berufsverbänden, Behörden etc. zu diskutieren. Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme und Ihr Interesse!

Wir werden Sie weiterhin in dieser Form auf dem Laufenden halten. Vorerst wünschen wir Ihnen aber ein angenehmes Jahresende. Bleiben Sie gesund! 

Das Projektteam

Ich brauche eine interkulturell dolmetschende Person

In der Regel läuft die Vermittlung einer interkulturell dolmetschenden Person über die regionalen Vermittlungsstellen. Sie vermitteln professionelle Dolmetschende vor Ort und via Telefon und Video.

In der Datenbank der ikDV können Sie direkt nach zertifizierten interkulturell Dolmetschenden suchen.

Ich interessiere mich für die Ausbildung

Die Ausbildung wird von Institutionen in den verschiedenen Regionen durchgeführt. Kursangebote, Termine etc. finden Sie in der Rubrik Aktuelle Kursangebote.

Das Qualifizierungssystem von INTERPRET (Zertifikat INTERPRET, Eidg. Fachausweis) wird in der Rubrik Qualifizierungssystem INTERPRET erklärt. 

Weitere Informationen erhalten Sie bei der Qualifizierungsstelle (031 351 38 29) von 9:00 bis 12:30.